Donnerstag, 7. Juli 2011

„Du hast ja keine Träume“

In meiner liebsten deutschen TV-Serie „Berlin, Berlin“ gab es zwischen der Protagonistin Lolle und ihrem Freund Alex einmal einen Dialog, der mir bis heute fest in Erinnerung geblieben ist.
Wie so oft ging es in dem Gespräch um Lolles bis dato unerfüllten Traum, Comic-Zeichnerin zu werden. Die Diskussion schaukelte sich hoch, und gipfelte in folgenden Vorwurf, den Lolle Alex machte: „Du kannst das nicht verstehen, du hast ja keine Träume!“. „Doch!“, entgegnete Alex daraufhin, „Ich habe meine Träume nur der Realität ein wenig angepasst.“.


Dass sich dieses kurze Gespräch derart in mein Gedächtnis gebrannt hat, liegt wohl darin begründet, dass Lolle für mich immer eine Art Heldin gewesen ist. Auch wenn es sich hierbei „nur“ um eine Rolle handelte, hatte sie letztlich genau die gleichen Ziele im und die gleichen Erwartungen ans Leben wie ich: Raus in die Welt, etwas aus seinem Leben machen und seine Träume verwirklichen.


Dass „Berlin, Berlin“ aber eben doch „nur“ eine Serie ist, zeigt das Staffelfinale, in dem Lolle mit ihrem Liebsten in ein offenes Ende Richtung Sonnenuntergang reitet.

Unterdessen sitzen meine Träume und ich bis heute hier und können uns nicht einigen, wohin die Reise gehen soll.

Immer wieder spielten sich in den vergangenen Jahren zwischen mir und meinem Freund ähnliche Dialoge wie der zwischen Lolle und Alex ab. Ich, die mit den Träumen, die, die die Welt verbessern will. Und er, zwar auch mit Träumen, aber trotzdem irgendwie realistischer, vernünftiger. Wenn ich mir schließlich nicht mehr zu helfen weiß, mache ich instinktiv das, was mir in einer solchen Situation am einfachsten erscheint: Ich mache mein Umfeld verantwortlich, und zwar für alles. Meine Familie, meinen Freund, die Welt. Sie alle sind schuld daran, dass ich auf der Stelle trete. Dass das Blödsinn ist, weiß ich, aber so ist es nun einmal am bequemsten.

Und immer wieder stelle ich mir die gleichen Fragen: Warum haben wir so viel Angst vor Veränderungen? Warum machen wir Pläne und warum verlässt uns im letzten Moment doch wieder der Mut?

Seit ich denken kann, will ich raus aus dieser Kleinstadt, rein ins Großstadtleben, meinen Träumen endlich Flügel verleihen. Stattdessen eine magere, überschaubare Bilanz des bisher Erreichten.
Studium: geschmissen, weil die Umstände einfach nicht passten.
Zwei mehr oder minder sichere Jobs: geschmissen, weil sie mich einfach nur unglücklich machten.

Anstatt mein Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen, sitze ich da und denke nach und denke nach und denke nach. Male mir aus, wie schön alles wäre, wenn ich doch… Hätte, wäre, könnte.. Vielleicht, eventuell, irgendwie… Alles Worte, die mir viel zu oft über die Lippen kommen.

Letzte Woche besuchte ich eine Freundin in Hamburg. Auf der Zugfahrt markierte ich den Trip in Großbuchstaben in meinem Kalender. „HAMBURG. NEUSTART 2.0“. Dieser Eintrag sollte symbolisch für meinen Neuanfang stehen. Hamburg, und Großstädte im Allgemeinen, üben auf mich eine starke Magie aus, ein Gefühl der Freiheit. Menschenmassen, U-Bahnfahren, Leben, Inspiration. Sobald ich den Zug verlasse, habe ich das Gefühl, die Welt gehöre mir, komme, was wolle. Leider verlässt mich dieses Gefühl spätestens, wenn ich den Boden meines Heimatbahnhofs berühre, und die alte Tristesse wieder das Ruder übernimmt.

Seitdem ich zurück bin, ist alles exakt wie es vorher war. Ich denke nach und denke nach und denke nach. Meine Träume mit enttäuschten, vorwurfsvollen Blicken neben mir.

Neustart 2.0? Von wegen.