Man kennt das ja. Man sitzt mit Freunden, Bekannten, Kollegen zusammen. Das Gespräch nimmt seinen Lauf. Und irgendwann macht man den kleinen, aber feinen Fehler und gesteht: „Also, ich liiiieeebe ja Seifenopern über alles. Verbotene Liebe, Marienhof, Alles was zählt, GZSZ, das volle Programm. Diese locker leichte, seichte Berieselung am Abend ist genau das, was ich nach einem nervigen Tag auf der Arbeit brauche.“. Und dann hat man den Salat. Entsetzte Blicke, das Gespräch verstummt abrupt. Doch dann, und dessen kann man sich sicher sein, gewinnt einer der Gesprächsteilnehmer seine Fassung zurück. Augenbrauen hochziehend konstatiert er kurz und knapp: „Echt? Soaps machen doch total dumm!“.
In solchen Momenten heißt es, die Contenance zu bewahren: „Und die Bild liest du bestimmt auch nicht, oder? Macht ja auch dumm.“. Damit stellt man sein Gegenüber aber nur sehr kurzfristig kalt. Nach einer kurzen Starre folgt, und dessen kann man sich auch sicher sein: „Natürlich nicht. Dieses reißerische Schmuddelblatt. Ich habe das Handelsblatt abonniert“. – Was natürlich gelogen ist. JEDER liest die Bildzeitung. Und wenn er sie nur kurz im Supermarkt an der Kasse in die Hand nimmt, um die Schlagzeile zu lesen, oder, wenn es ein männlicher „Nicht“-Bildleser ist, um schnell das Seite-1-Girl zu begutachten. Man erkennt diese „Nicht“-Bildleser unter anderem an folgender Aussage: „Was habe ich heute noch in der… (kurzes Stocken, jetzt bloß nicht auffliegen), äh, Zeitung gelesen…“. Wird dann auch noch der jeweilige Artikel im Bild-ähnlichen Stil wiedergegeben, weiß ein bekennender Bild-Leser natürlich sofort, was Sache ist.
Während sich das Gespräch verselbstständigt, alle sich wie wild auf meine unbedachte Bemerkung stürzen, wie besessen darüber diskutieren, wie anspruchslos Seifenopern sind und was ARTE doch für ein großartiger Sender ist, sitze ich da und denke nach. Passiert das gerade wirklich? Versuchen die hier gerade, meinen Intelligenzquotienten anhand meines abendlichen TV-Programms und meiner Bettlektüre zu errechnen? Mein Puls steigt, mein Herz schlägt schneller. Ich muss raus aus dieser Situation, schließlich möchte ich niemanden beleidigen.
Ich stehe auf, lächle den Handelsblatt-Abonnenten an, der noch immer wild gestikulierend über Soaps und dessen Auswirkungen auf die Erderwärmung referiert, und sage: „Ach, tatsächlich? Da stellt sich mir die Frage, wie ich trotz sechs Jahren Extremsoapings mein Abi bestehen konnte? Und was hattest du noch gleich für einen Abschluss?“.
P.S. Soaps schaue ich mittlerweile nicht mehr. Aber die Bildzeitung lese ich noch.
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